Bericht

PTS in Bad Leonfelden und in Ottensheim: Polys am Land als unterschätzter Schultyp in puncto Bildung

WKO Urfahr-Umgebung, 4020 Linz


Elfriede Draxler © Nicole Brandstetter/GMR Fotografen GmbH
Elfriede Draxler © Nicole Brandstetter/GMR Fotografen GmbH

Die Lichtenbergerin Elfi Draxler ist Leiterin der Polytechnischen Schulen (PTS) in Bad Leonfelden und Ottensheim. Das sind die beiden einzigen PTS im Bezirk. Die 56-Jährige ist selbst ausgebildete Lehrerin (etwa Mathe, Physik, Chemie, Französisch und Sonderpädagogik). Was genau die Aufgaben der Polys am Land sind und warum diese im Bezirk so wertvoll sind, verrät Elfi Draxler im Tips-Talk.

Tips: Welche Aufgaben haben die Polytechnischen Schulen am Land?

Elfi Draxler: Die Polytechnische Schule bereitet sehr individuell auf eine duale Ausbildung (Lehre) vor und unterstützt beim Einstieg in das Berufsleben. Die Zusammenarbeit mit der regionalen Wirtschaft ermöglicht eine Anbahnung zahlreicher Lehrverhältnisse in der Region. In der Polytechnischen Schule können Defizite aus den Schuljahren davor ausgeglichen werden, womit im Anschluss ein Einstieg in eine weiterführende Schule Realität werden kann.

Tips:Warum ist der Besuch einer PTS im Bezirk so wertvoll?

Elfi Draxler: Weil endlich die Stärken im Vordergrund stehen und praktische Fähigkeiten von Bedeutung sind. In der Polytechnischen Schule stehen Berufsorientierung, Berufsvorbereitung und Lehrstellensuche an erster Stelle. Die Schüler lernen ihre Stärken und Schwächen kennen und werden sehr individuell gefördert – eine Grundvoraussetzung für die angestrebte Persönlichkeitsfindung. Die Jugendlichen haben viel Zeit, sich selbst und ihre Stärken kennenzulernen – in den unterschiedlichen Fachbereichen in der Schule und bei Berufspraktischen Tagen in den Betrieben der Region und des Zentralraums. Die Lehre ist vielleicht immer noch ein ungewöhnlicher Weg zu ganz Großem – aber mit den vielen Optionen (Meisterprüfung, Lehre mit Matura, Studienberechtigungsprüfung, etc.) ist sie das Erfolgsmodell für viele junge Menschen. Sollte es Probleme geben (etwa bei der Lehrstellensuche), stehen ein Jugendcoach sowie eine Betreuungslehrerin als Unterstützung zur Verfügung.

Tips: Was lernen die Schüler in diesem einen Jahr und gibt es hier auch eigene Schwerpunkte?

Elfi Draxler: In der Polytechnischen Schule gibt es zwei Cluster mit unterschiedlichen Fachbereichen: Cluster Technik (Metall, Elektro/Mechatronik, Holz, Bau) und Cluster Dienstleistung (Gesundheit, Schönheit und Soziales, Handel und Büro, Tourismus). Zusätzliche Schwerpunkte: Mediendesign, Kunststofftechnik und bei Bedarf gibt es ein Oberstufentraining. Nach einer Orientierungsphase, in der sich die Schüler ausprobieren können, wählen die Jugendlichen einen Fachbereich – in dem sie in 15 Fachbereichsstunden auf ihren künftigen Lehrberuf vorbereitet werden. Daneben werden im Klassenverband allgemeinbildende Fächer unterrichtet. Es gibt sehr viele Kontakte mit der regionalen Wirtschaft und den Betrieben des Zentralraums und damit einen sehr intensiven Einblick in viele Berufsfelder.

Tips: Was machen Ihre Schüler nach dem einen Jahr dann?

Elfi Draxler: Beinahe alle Jugendlichen beginnen eine Lehre. Aus Rückmeldungen wissen wir, dass Lehre mit Matura eine Option für zahlreiche Jugendliche ist. Einige schaffen mit der PTS die Aufnahmevoraussetzungen in eine weiterführende Schule. Nachreifungsprojekte helfen jenen, die noch Zeit brauchen, beruflich Fuß zu fassen.

Die Polytechnische Schule ist ein sehr wertvoller, weithin unterschätzter Schultyp, der Stärken fördert und sehr individuell auf eine erfolgreiche berufliche Zukunft vorbereitet.

Tips: Früher war der Ruf der Polytechnischen Schulen, vor allem im Zentralraum, nicht besonders mächtig. Es wurde oft vermittelt, da gehen nur die „Schlechten“ hin. Wie sieht das eigentlich heute aus – vor allem in Bezug auf unseren Bezirk?

Elfi Draxler:Sie haben Recht – das ist unser Problem! Die Einstellung zu diesem Schultyp ist eine veraltete und vollkommen falsche. Nur leider macht sich niemand die Mühe, seine Meinung kritisch zu hinterfragen – ausgenommen Sie, weil Sie mir ja diese Fragen stellen. Der Lehrplan der Polytechnischen Schule hat sich stark verändert, die Ausbildung ist wirklich sehr zielorientiert, die Jugendlichen profitieren wirklich davon. Wir haben auch sehr leistungsstarke Schülerinnen und Schüler, die bewusst den Weg zum beruflichen Erfolg über die PTS und die duale Ausbildung gehen. Jugendliche, die mit einem Notendurchschnitt von 1,0 zu uns in die PTS kommen, sind nicht die Ausnahme, jedoch zugegeben relativ selten. Und sind wir doch ehrlich, ein Schüler, der die PTS besucht, profitiert von diesem Schuljahr und der eine Lehrstelle findet, ist ein Gewinner. Jemand, der in einer weiterführenden Schule scheitert – und glauben Sie mir, das tun ganz viele aufgrund der falsch kommunizierten Anforderungen (man kann sagen, dass nahezu alle in weiterführenden Schulen aufgenommen werden, ihr Verbleib in diesen ist bescheiden; dazu gibt es zahlreiche Evidenzen) – ist ein Verlierer. Eine Polytechnische Schule im urbanen Raum hat eine völlig andere Aufgabe. Während „am Land“ beinahe alle in eine Lehre gehen und sehr rasch wissen, wohin sie beruflich gehen wollen, ist es die Aufgabe in den städtischen PTS, Orientierung zu geben.


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